Wie GoPro & Co. Sportübertragungen verändern

Wer Sport liebt und konsumiert, glaubt ihn sehr bald zu verstehen. Doch wie weit unsere Sehgewohnheiten von der Realität auf dem Platz entfernt sind, verdeutlicht meist schon ein simples Experiment: Sich ein Spiel von der Seitenlinie aus ansehen. Über Jahre hinweg haben wir uns so sehr an die gängigen Kameraperspektiven von Sportübertragungen und -simulationen auf der Konsole gewöhnt, dass es erst eine Weile braucht, bis man ein Spiel auch aus dieser ungewohnten Perspektive lesen kann. Nun, das Ganze könnte schon bald noch deutlicher werden. Denn dank toller Technik von GoPro und neuerdings auch Sony stehen wir nicht mehr nur am Rand des Spielfelds, sondern mitten darauf.

Diese Entwicklung ist nicht neu, sie nimmt aber Fahrt auf, wie die gerade angekündigte Partnerschaft zwischen GoPro und der NHL zeigt. Damit erschließt sich dem Zuschauer die letzte Perspektive, die ihm noch vorenthalten war. Was den Blick auf den Sport verändern könnte: Die Geschwindigkeit, in der die Athleten auf dem Feld Entscheidungen treffen müssen, ihr eingeschränkter Blick auf Mitspieler und Tor, die technischen Tricks, mit denen sie das Spielgerät vom Gegner abschirmen, der wenige Zentimeter entfernt ist – all das wird in den Vordergrund rücken. Aus unserer gewohnten Perspektive heraus sehen wir, dass eine der Abwehrreihen nicht gleichzeitig rausgerückt ist – und die neue Perspektive zeigt vielleicht den kleinen Zupfer, der den Verteidiger ins Stolpern brachte, als das passierte.

Wie wir Sport konsumieren, wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren grundlegend ändern. Eine Aufzeichnung des WM-Finals von Rio de Janeiro wird uns im Jahr 2025 vorkommen wie ein Schwarzweißfilm aus den 1920ern.

Addieren wir diese neue Perspektiven zu Torlinientechnologie, Live-Daten zu Position und Geschwindigkeit von Spielgerät und Spielern, immer besseren Augmented Reality-Statistikdaten in Liveübertragungen, 4k-Auflösung und wachsende Bandbreiten für Livestreams, liegt der Schluss nahe: Wie wir Sport konsumieren, wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren grundlegend ändern. Eine Aufzeichnung des WM-Finals von Rio de Janeiro wird uns im Jahr 2025 vorkommen wie ein Schwarzweißfilm aus den 1920ern.

Stand 2015 ist noch die Technik der limitierende Faktor: die Kameras sind immer noch zu groß, zu unhandlich, nicht flexibel genug. Doch meiner Meinung nach ist das nur eine Momentaufnahme. Betrachtet man sich den Markt näher, kündigen sich hier einige neue Wettbewerber mit technischen Innovationen an. Polaroid hat auf der CES den Prototypen einer spottbilligen HD-Kamera im Miniformat vorgestellt. Google Glass wurde zwar eingestellt, doch nicht nur Googles 500-Millionen-Dollar-Investment in die Augmented Reality-Firma Magic Leap lässt den Schluss zu: Google Glass ist nicht tot. Microsoft wildert mit seiner Hololens in den Oculus Rift-Gewässern Facebooks und beide werden die Echtzeitdarstellung von dreidimensionalen Welten anhand von Bewegungssensoren auf Augenhöhe vorantreiben. Natürlich ist wie immer auch Samsung in diesen Markt eingestiegen.

Ich vermische hier zwei Dinge: Virtual Reality und kleine Videokameras. Das tue ich, weil sich meiner Meinung nach beide Technologien schnell verschränken werden. Das zeigt auch das jüngste der genannten Produkte, die Hololens. Und dann wartet da an der Ecke ja noch dieser Typ, zu dem alle immer heimlich aufschauen und so sein wollen wie er. Der zwar nicht mal eine Uhr am Arm hat, aber trotzdem immer auf der Höhe der Zeit ist. Und der vielleicht mal wieder den Markt von hinten aufrollt. Dann sogar mit Uhr am Arm – Apple, dieser Teufelskerl.

Die Technik wird also bald nicht mehr das Problem sein – und damit ihre Verwendung in Sportübertragungen. Wir werden neue Perspektiven erleben, die wir bisher nur aus Computerspielen kannten. Noch näher am Sport, tiefer im Geschehen. Liveübertragungen werden sich ändern. Das Training der Sportler tut es schon. Und das vermeintlich souveräne Zuschauerwissen wird sicher wieder öfter zu einem ungläubigen Staunen.

3 Kommentare Wie GoPro & Co. Sportübertragungen verändern

  1. Matthias Schneider

    Ein sehr guter Artikel, welcher die aktuellen Trends und technischen Entwicklungen in den Kontext des Sports bringt.
    Eine entscheidende Frage für mich wird dabei sein, ob der durchschnittliche Sport-Zuschauer diese ganzen neuen Möglichkeiten überhaupt möchte.
    Nehmen wir den konkreten Fall eines Fußball-Spiels an: Wirklich notwendig sind die Kameras, welche einen klaren Blick auf das Spielgeschehen werfen lassen. So kann der Zuschauer den Verlauf der Partie verfolgen und sich ein Bild davon machen.
    Sitzt man nun aber am TV und bekommt alle paar Minuten die aktuellen Statistiken über die einzelnen Spieler und die Mannschaften eingeblendet könnte das zu viel werden. Insbesondere wenn jeder Akteur eine Kamera bei sich hat und seine eigene Perspektive der Situation liefern kann. Vor allem da gerade der Fußball die Massen begeistert, da er einfach zu verstehen ist. Mit jeder hinzukommenden technischen Möglichkeit, jeder weiteren TV-Einstellung und ergänzenden statistischen Einblendung geht dies ein kleines Stück weit verloren – es entwickelt sich zunehmend zu einer Wissenschaft für sich.
    Für mich steht zur Debatte, ob dies überhaupt gewünscht wird, oder lediglich – etwas bösartig ausgedrückt – eine technische & spielerische Möglichkeit für die Zukunft darstellt?

    Ich persönlich würde mich sehr über neue Perspektiven und statistische Daten freuen, stelle aber die offene Frage in den Raum, inwieweit dies massentauglich ist.

    1. Max-Jacob Ost

      Ja, das ist eine interessante Frage. Denn die aktuellen Sehgewohnheiten sind ja auch über Jahre gelernt. Vielleicht spalten sich hier auch die Sehbedürfnisse je nach Alter: Wer aus Computerspielen die Ich-Perspektive mit Statistiken am Bildschirmrand gewohnt ist, wird mit so etwas in einer Liveübertragung eher zurecht kommen, als jemand, der nur die klassische Vogelperspektive kennt.

      Ich glaube außerdem, dass die neuen Perspektiven vor allem wichtig für Wiederholungen und Vor- sowie Nachberichterstattung wichtig sind. Zu oft sind sonst wichtige Bereiche des Spielfelds nicht zu sehen.

      1. Matthias Schneider

        Es wäre in der Tat eine interessante Möglichkeit, den Zuschauern verschiedene Möglichkeiten für das Zuschauen anzubieten. Ähnlich wie aktuell bei Sky kann so zwischen verschiedenen Sendern gewählt werden (Einzelspiele & Konferenz). Nur dass es in dem Fall darum geht, andere Perspektiven und Darstellungsformen angezeigt zu bekommen.

        Hach, das wird alles noch sehr spannend in den kommenden Jahren.

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